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40.Geburtstag

Eines Morgens war alles anders.

 

Bisher hatte ich mir keine sonderlichen Gedanken um mein Alter gemacht. Ich war nun halt jahresanzahltechnisch irgendwo Ende der dreißig angesiedelt, die meiste Zeit völlig unwissend ob nun gerade 37, 38 oder 39, - ist doch egal- man ist so jung wie man sich fühlt! - manchmal fühlte ich mich eben wie strahlend junge 35 und manchmal wie uralte 38 dreiviertel. Das hatte mich nie weiter beunruhigt.

Aber plötzlich hatte sich mit einem Schlag und über Nacht dieser Gedanke in mein Hirn eingegraben:
Nur noch zwei Wochen, dann wirst Du 40 !
Welch ein erschreckendes Gefühl.
Ein Jahrzehnt geht. Eine neue Ziffer stellt sich an den Anfang.

40 ! Antik !

 

Mit der drei vorne konnte man ja noch von jugendlicher Frische, die man sich erhalten hat, sprechen, - von dem Pep, den man sich ins Erwachsenendasein gerettet hat, - doch mit 40 muß man wirklich erwachsen werden. Da wird Vernunft und Reife erwartet.

An diesem Morgen war mir klar: Nun ist es eben vorbei! Deine Jugend ist verrauscht, das Leben ist eigentlich nur noch Warten auf die Rente.

Du mußt Dich damit abfinden, zum gehobenen Mittelalter zu gehören.

Ich ging ins Bad und betrachtete mein Spiegelbild genauer. Da sind ja Falten an den Augenwinkeln! Sind die denn schon länger da? Je genauer ich hinsah, desto krähenfüßiger wirkten sie.

Meine ersten grauen Haare hatte ich ja schon mit zwanzig. Seit einer ganzen Weile mußte ich schon regelmäßig färben, um nicht wie meine eigene Großmutter auszusehen.

Aber war das Haar nicht viel dünner geworden? Früher war ich doch mal so stolz auf mein dickes Haar. (Wenigstens etwas, was an mir SCHÖN Dick war!) Und nun bei fortschreitendem Alter wurde zwar nicht ich, aber dafür mein Haar dünner! Welch schreiende Ungerechtigkeit!

Den ganzen Tag verließ mich nicht dieser quälende Gedanke, daß mit diesem in rasenden Schritten nahendem Geburtstag meine besten Jahre endgültig vorbei sind.

Eine ausgelassen tanzende Vierzigjährige ist ja nun wirklich eindeutig lächerlich!

Lauthals grölend auf einem PUR- Konzert macht eine so alte Frau auch keinen seriösen Eindruck.

Und mit der elfjährigen Tochter gemeinsam Comics schmökern paßt ebensowenig ins Bild wie mit ihr um die Wette die Wasserrutsche unsicher machen - nein, - das ist ja wohl jetzt alles passé !

Ich muß mich um neue Aktivitäten kümmern, die zu diesem gesegneten Alter passen. So erwog ich

a) die Gründung eines Damen- Kaffee- Kränzchens mit Strickstunden und Bridge Spielen,

b) die Teilnahme an Senioren- Gymnastik- Gruppen, die zur Lockerung der eingerosteten Gelenke beitragen sollen,

c) die Mitgliedschaft bei den "Grauen Panthern".

- und begann

d) mit dem Ausfüllen meines Rentenantrages.

In den nächsten Tagen hatte ich kein anderes Thema im Kopf und erzählte allen Leuten, ob sie es nun hören wollten oder nicht, daß mein Leben nun eine dramatische Wende nehmen würde.

Eine wahrhaft gute Freundin bot mir ihre Hilfe an, nach geeigneten Altenheimen Ausschau zu halten. Sie wußte genau zu berichten, worauf ich bei der Auswahl meines Ruhesitzes achten sollte, empfahl mir das ein oder andere Domizil in der Nähe und konnte von den Vor- und Nachteilen der einzelnen Häuser berichten.

Sie gab mir auch den guten Trost mit auf den Weg, wenn ich nur alle meine Angelegenheiten vorsorglich geregelt hätte, dann könnte ich mich beruhigt in den Lehnstuhl begeben.

Dieser Geburtstag hing wie das vielzitierte Damoklesschwert über mir.

Zusätzlich traf mich genau zwei Tage vor diesem denkwürdigen Ereignis noch das Unheil einer allergischen Reaktion. Hervorgerufen durch zu hektische Benutzung eines  Haar- Entfernungsmittels blühten mir rechts und links vom Kinn leuchtende rote Flecken. Auf die ständigen Fragen meiner Umwelt: "Was hast Du denn da ???", antwortete ich mit Leidensmiene: "Altersflecken!  - Schließlich werde ich 40 !"

So rückte dieser Tag immer näher und ich war sehr besorgt, ob der Wandlung, die wohl unweigerlich an einem solchen denkwürdigen Datum mit mir geschehen würde.

26.Mai 1998!

Geweckt durch liebevolles Streicheln und ungezählte Küßchen von meiner Lieblingstochter begann ich erwartungsvoll den Tag.

Ein Blick in den Spiegel sagte mir, daß sich keine nennenswerte Änderung seit gestern abend zeigte.

Die Striche in den Augenwinkeln,- waren das nicht vielleicht Lachfältchen?

Sogar die roten Flecken am Kinn hatten sich fast gänzlich zurückgezogen.

Geschminkt und gestylt konnte ich mich doch auch in diesem hohen Alter noch in die Öffentlichkeit wagen.

Als ich den Laden aufschloß bemerkte ich eine ganze Reihe großer, bunter Schilder zwischen den Blumen angebracht: "Willkommen im Club!" - "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!" - "Hurra! Wir gratulieren!" -  Daß ich das noch erleben darf !

Meine Lieblingsschwester war in der Nacht noch hier gewesen und revanchierte sich damit für die "Veröffentlichung" ihres Geburtstages vor 10 Tagen, als ich für sie solche Poster angefertigt und aufgehängt hatte.

Der ganze Tag verlief trubelig und fröhlich. Gratulationen, persönlich, per Post und per Telefon kamen den ganzen Tag, und niemand schenkte mir Biovital oder Doppelherz. Die schienen alle gar nicht gemerkt zu haben, daß ich mich langsam für meinen Alters- Ruhesitz vorbereiten wollte.

Nur meine Arbeitskolleginnen, die in den letzten Tagen oft genug meine Bedenken anhören mußten, brachten mir ein Körbchen mit Pflegemitteln, wie z.B. Creme für die alternde Haut, Haarfärbemittel, das garantiert graue Haare überdeckt, diverse Schmink- Utensilien, um Alterserscheinungen im Gesicht zu übertünchen, usw.

Der Abend brachte mir dann die Gewißheit, daß ich vielleicht doch noch nicht zum alten Eisen gehöre. Treppauf, treppab..., ungezählte Male, um alles in den Partyraum zu schaffen, um Gäste zu begleiten, und... und... und... - ich konnte mich ja doch noch ganz gut bewegen.

Strahlend nahm ich Geschenke in Empfang und konnte feststellen, daß meine Freunde mich tatsächlich genauso behandelten wie immer und mir nicht ständig wegen meines hohen Alters einen Sitzplatz anboten.

Die Musik juckte noch genauso in den Füßen und eigentlich fühlte ich mich herrlich jung!!!

Da dies hier eine äußerst tanzfaule Bande war, konnte ich erst ein paar Tage später in der Disco feststellen, daß ich tatsächlich noch immer mithalten konnte, losfetzen, was die Musik hergibt, - mitsingen, was die Lunge zuläßt -  und ich fand mich überhaupt nicht peinlich.

Ganz im Gegenteil !!!

Vielleicht ist das Leben ja doch noch nicht mit 40 vorbei, -

vielleicht fängt ja grad´ jetzt erst alles richtig an !!!