Die Welt ist viel zu bunt, um schwarz zu sehen !!!

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Den Haag

Ein Wochenende an der See

 

Als ich Donnerstags meiner Tochter half, ihre Sachen für einen Wochenendausflug zu packen, wurde es mir ganz plötzlich klar:    morgen würde die Kleine verschwinden,
- heute, - schon ganz früh - , war meine Mutter zu einem Kegelausflug aufgebrochen,
- und wir - mein Herzensgatte und ich - würden das ganze Wochenende alleine sein - ohne irgendwelche Terminpläne, - Verpflichtungen  - oder Rücksichtnahmen . Das durfte man doch nicht ungenutzt vorüberstreichen lassen !!!

"Liebster, was hälst Du davon, wenn wir beide, nur Du und ich -
dieses Wochenende ganz was Verrücktes, Ungewöhnliches unternehmen ?" -
Erschrocken sieht er mich an :"Ich fahre aber nicht mit Dir nach Berlin  - zur Love Parade !" -
"Ach, ist die jetzt am Samstag? - Da habe ich noch gar nicht dran gedacht,- aber jetzt, wo Du es sagst ........."         -      "C h r i s t i i i n e ! ! !"
"Schon gut, - okay - also nicht, - ich hatte auch an ganz was anderes gedacht. Ich würde so gerne mal wieder das Meer rauschen hören, am Strand entlang wandern  - die Unendlichkeit der See bestaunen und uns mal wieder alle trüben Gedanken aus dem Hirn pusten lassen. Wellen sehen - Sand spüren - und einfach nur mit Dir zusammen sein !"
Das gefiel ihm dann auch und ohne die Notwendigkeit weiterer Überredungskünste konnten wir zu planen beginnen.

Als mir dann noch ein Zeitungsartikel in die Hände fiel, über eine Skulpturen- Ausstellung in Den Haag, wo auch mindestens eine Nana, diese riesig großen, knallbunten, dicken Frauenfiguren, von Niki de St. Phalle stehen würde, war die Routengestaltung perfekt.

Nach der ersten Euphorie kamen mir dann doch gewisse Zweifel. Soo viele Kilometer, - so eine Belastung für das Auto (er ist ja auch nicht mehr der Jüngste) - was kann da alles passieren? - - soo viel Vorbereitung - lohnt sich das alles überhaupt? - gerade jetzt, wo wir eigentlich sparen müssen, - ja muß das denn nun wieder sein ??? 
Meine Vernunft- Kämpfer standen in Hab- Acht Stellung und schwangen ernste Reden.

In diesem inneren Zwiespalt holte ich mein Tarot- Spiel hervor und zog mir eine Tageskarte.
"Fünf Herzen" hieß das Blatt und beim Anblick dieses Bildes wurde mir gleich ganz leicht im Gemüt.

Eine Nixe sitzt auf zwei großen Landschildkröten und hat eine dunkle, geheimnisvolle Schatztruhe vor sich,  aus der sie ein geflügeltes Herz mit einem Pentagram in der Mitte hervorholt. Sie sitzt an einem Sandstrand direkt am Meer, in dem sich die Sonne spiegelt.

In dem dazugehörenden Text ist die Rede davon, daß oft der Wunsch besteht nach Reflektion und Ruhe, und diese Nixe nun einen Schatz in der Truhe findet, der wie ein spiritueller Beschützer wirkt in der Zeit der Veränderung.

"Liebster, wir fahren !!!"

 

Samstag mittag, pünktlich um 14 Uhr, der Laden geschlossen, alles geregelt, das Auto voll mit unseren Sachen, Regenkleidung nicht vergessen!, aber der Optimist in mir hat auch das Badezeug eingepackt.
Farina, unser Hund, ist als erstes im Auto. Sie hat schon den ganzen Morgen gemerkt, daß hier irgendwas geplant wird. Und bevor wir sie vielleicht vergessen könnten, setzt sie sich lieber schon eine Stunde vor Abfahrt auf den Beifahrersitz.
Los geht`s.

Wir sind noch nicht ganz auf der Autobahn, suchen noch nach dem richtigen Radiosender, da tönt meine geliebte Gruppe PUR aus dem Lautsprecher mit dem ach so passenden Lied:
"Komm mit mir ins Abenteuerland ! Der Eintritt kostet den Verstand !"
Genauso fühle ich mich.
"Komm Liebster, ich zeig Dir, was wir verlernt haben vor lauter Verstand ..."

Den Haag! Gemeinsam schaffen wir einfach alles.
So finden wir auch erstaunlich schnell die ersten Schilder Richtung Skulpturen- Ausstellung. Die Straßen sind voll und Baustelle reiht sich an Baustelle. Wir entdecken ein Parkhaus ganz in der Nähe.
Eine lange, baumbewachsene Allee,
- in loser Reihenfolge bestaunen wir die Kunstwerke von Auguste Rodin, Jean Arp, Roberto Mata, César und weit hinten sehe ich schon aus der Ferne durch die Blätter etwas großes Buntes leuchten.
Die "Blum", die "Nana jaune" von Niki de St. Phalle.
Eine mächtige, fröhliche Figur, - deutlich weiblich - , die den Mittel- und Höhepunkt der ganzen Ausstellung bildet.

Ganz eigenartig berührt mich die Vorstellung, daß dieses hier eben nicht eine Nachbildung ist, sondern von der "großen" Niki selbst gearbeitet wurde.

Ich fotografiere von allen Seiten. "Soll ich Dich denn auch mal knipsen - so direkt vor der Nana?" Mein Herzensgatte bietet seine zweifelhaften Fähigkeiten an. "Wenn Du Glück hast, kriege ich sogar den Kopf mit drauf.... - vielleicht aber dann Deine Beine nicht. Ich versuch es einfach mal. Bestimmt wird das das originellste Foto !

Ein paar Meter weiter, - ein kleiner Laden, zur Ausstellung gehörend, in dem man Postkarten, einen Katalog und andere Souvenirs kaufen kann.
Kaum beachtet finde ich dort in einer Ecke den "Love- Seat" von Niki de St. Phalle. Ein knallbuntes "Sitzgerät", auf dem sich große Schlangen um die Lehnen winden. Zwei Plätze, die nebeneinander, aber doch durch die Schlangen voneinander getrennt sind. Man schaut sitzend in entgegengesetzte Richtungen, beziehungsweise : sich tief in die Augen.
Preis auf Anfrage! steht daran. Wir lassen es uns nicht nehmen, uns danach zu erkundigen. Schon für sage und schreibe 160 000 DM kann man dieses Teil besitzen.
Wir haben gerade nicht genug dabei, also ziehen wir weiter.

 

Ziel: Noordwijk an zee!

Wir suchen uns einen einsamen Parkplatz in der Nähe vom Strand, wo wir in der Nacht im Auto ruhig schlafen können und laufen ca 50 Meter, bis wir zwischen den Dünen den berauschenden Anblick auf die bewegte See haben.
Der Wind pfeift landeinwärts, der feine Sand fegt über den Boden, - Farina ist verwirrt -das Fell und die Ohren werden ihr zerzaust und das gefällt ihr gar nicht, zumal ein Ohr immer offengelegt wird und dementsprechend der Wind bis auf das Trommelfell bläst.
Sie kann kaum den Weg gerade entlang laufen, so drückt der Wind sie zur Seite.
Wir überlegen, ob wir sie an die Leine nehmen müssen, damit sie nicht wegfliegt.

Endlich stehe ich staunend und überwältigt ganz dicht vor den Wellen. Was für eine immense Kraft in der Gischt, - in der rauschenden Brandung zutage tritt !
In der Nase dieser unvergleichliche Geruch von Salzluft, Tang und unendlicher Weite.

Es ist kalt. - Mitte Juli und Winterpullover.

In mir kommen Erinnerungen hoch an frühere Seebesuche.
"Weißt Du noch, als wir vor Jahren mal im Januar auf Ameland waren? Da waren sogar Eisschollen auf dem Wasser." -
Mein Herzensgatte erinnert sich genau, meint trocken: "Ja, ja, .... aber damals war es wärmer !"
Grinst mich an, nimmt mich in den Arm, und mir ist gar nicht mehr kalt.

Nachdem wir eine Kleinigkeit in einem hübschen, gemütlichen Restaurant gegessen haben, bestehe ich darauf, noch eine kurze Nachtwanderung am Strand zu machen.
Dunkelheit - Meeresbrausen - ein bißchen Mond und Sterne am Himmel - und dieses wahnsinnige Gefühl zusammen zu sein mit dem Menschen, den ich liebe.

Wir gehen noch in eine dieser Hütten, die dort am Strand stehen, wo wir ein wenig windgeschützter sind und - abrakadabra - zaubere ich eine Flasche Sekt und zwei passende Gläser aus meiner Tasche. Zum Wohle !
Auf Dich und mich -  die Liebe und das Leben !

Die Nacht im Auto, - im Kombi auf der Ladefläche - hart, eng, warm, witzig, fröhlich, mit einem eifersüchtigen Hund, den wir vehement in den Fußbereich befördern.

6 Uhr dreißig - Zähne putzen mit Sprudelwasser am Straßenrand - Frühstück-
Gerd kocht Kaffee und rührt das Müsli an, während ich mich - stilvoll - im Autospiegel schminke.

Kurz nach sieben starten wir zur großen Strandwanderung. Es nieselt. - In Holland ist der Regen viel schöner als zu Hause ! -
Nach einer Weile finden wir einen Strandkorb, von dem aus wir auf die Brandung sehen können, ohne daß es mir die Brille zuregnet. Farina verbellt die ersten anderen Strandgänger, die um diese Zeit auftauchen. Nach einer Weile bilden wir uns ein, daß es aufgehört hat zu regnen und gehen - schon bald unseren Irrtum feststellend - weiter.
Erst nach einer ganzen Weile merken wir, daß wir die Hundeleine dort liegengelassen haben.

Interessant wird es an dem sogenannten "Hundestrand", wo auch das Strandgut der letzten Wochen nicht weggeräumt wurde. Mein Herzensgatte ist ganz in seinem Element. Hier kann er nach Belieben suchen, ob nicht irgend etwas Brauchbares angeschwemmt worden ist.
Und während wir noch darüber philosophieren, wie denn wohl die leicht deformierten Wäschekörbe oder der Halogenscheinwerfer hierhin gekommen sind, - welche verschlungenen Wege wohl diese unzähligen Flaschen und Tuben geschwommen sind, - und wieso überhaupt auf der ganzen Welt die Wellen landeinwärts auslaufen und nicht, - wie es doch verständlicher wäre, auf der einen Seite des Meeres zum Land hin und auf der anderen Seite vom Land weg fließen, -
---------  da sieht mein Herzensgatte in der Gischt, ein paar Meter vor uns, einen leuchtend roten Punkt im Wasser tanzen.
Er freut sich wie ein kleiner Junge. "Da kommt was direkt zu uns ! Das darf ich behalten, wenn es mir gefällt! Alles, was das Meer anschwemmt, darf man behalten !"

Wir warten, bis die Wellen es näher bringen. Gespannt starren wir auf  den roten Punkt. Er kommt direkt auf uns zu.
Als es endlich so nah ist, daß Gerd es fast trockenen Fußes erreichen kann, sehen wir endlich genauer, was es ist.
Und ich muß gestehen, wenn mir das nun jemand erzählen würde, ich würde es auch nicht glauben, und dem geneigten Leser sei schon jetzt verziehen, wenn er es für die seltsamen Auswüchse meiner üppig sprießenden Romantik hält, aber es ist tatsächlich -      eine kleine Schatztruhe (!).

Rotes Plastik, das irgendwann mal irgendwelche Süßigkeiten geborgen hat, in Form einer richtigen Schatztruhe.
Wir stehen staunend mit diesem Teil in der Hand und können es nicht fassen.

Das Tarot hatte es mir ja längst vorhergesagt, und genau hier an diesem viele Kilometer langen Strand, genau an dem Ort und zu dem Zeitpunkt, wo wir hier stehen, wird dieses unscheinbare Ding angespült. Direkt vor unsere Füße.
Es hat nicht hier irgendwo gelegen, wo es jeder finden konnte, - nein - es kam direkt und geradewegs und nur zu uns !

Diese Truhe ist zwar leer, aber das geflügelte Herz habe ich doch längst gefunden -    in den langen Gesprächen über Gott und die Welt, über uns und unsere Pläne - in der Zweisamkeit, die wir so lange nicht hatten, - in diesen wunderschönen Stunden, wo Regen und Kälte gar nicht zu uns durchdringen können.

Wieviel dieses Zaubers, der uns an diesem Wochenende begleitete, läßt sich in den Alltag retten ?  Hokuspokus - dreimal schwarzer Sandstrand - abrakadabra und simsalabim - wir werden sehen.....

und spüren......

und festhalten .......