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Der 70. Geburtstag

Die ganze Fernsehnation kennt und spricht von dem seit Jahren regelmäßig wiederholten Theaterstück "Der 90. Geburtstag", noch besser bekannt als   "Diner for one". Jeder hat sich schon köstlich dabei amüsiert, und was ist schon ein Silvesterabend ohne Miss Sophie und James.

Unsere Familie hat nun vor kurzem ein eigenes Stück ins Leben gerufen:

"Der 70. Geburtstag"

oder

"Diner for all"

 

Onkel Kurts Geburtstag rückte näher und noch keiner im Clan wußte, ob er diesen runden Ehrentag nun feiern wollte, oder was er sonst vorhatte.

Erst 2 Wochen vorher sprach Tante Gerda meine Mutter darauf an, daß sie gerne alle engen Verwandten zusammen holen würde, aber da sie ja ziemlich weit weg wohnen, wäre es einfach sinnvoller, hier bei uns in der Nähe in einem Lokal Tische vorzubestellen, und uns alle hier zu treffen, ja ... und Mutter solle das doch mal klarmachen.

Sofort bauten wir die Idee aus: Wenn er schon an der Planung nicht mitarbeiten muß, dann wollen wir es auch völlig geheim als absolute Überraschungsparty für ihn gestalten. (Wobei wir alle unserer Tante Gerda gar nicht zutrauten, das durchzuhalten, und sich wirklich nicht zu verraten.)

Meine Mutter kümmerte sich um die Auswahl des Restaurants und übernahm gemeinsam mit Ulla die schwierige Aufgabe die Lokalitäten vorzutesten. Unter Zunahme einiger Kilos wurden die Speisequalitäten begutachtet.

Die Entscheidung fiel zugunsten des einzigen der infrage kommenden Restaurants, das an dem betreffenden Abend überhaupt Platz für uns alle hatte. Eine Pizzeria mitten in Wattenscheid, - verkehrstechnisch gut zu erreichen.

Der Tag rückte näher, - Elke opferte sich auch noch mal, - absolvierte mit Mutter noch ein Probeessen in dem Lokal, um mit dem Wirt die letzten Feinheiten abzusprechen. Nun konnte der Countdown starten.

 

Donnerstag, 16. April, der Geburtstag.

Mutter fuhr mit dem Zug nach Bad Meinberg, um dort zu gratulieren. Und IHM wurde gesagt, daß sie bis Anfang der Woche bleiben würde.
Samstag morgen dann - ein fingierter Anruf, bei dem Mutter scheinbar ganz erschrocken erfuhr, daß sie einen wichtigen Termin am Sonntag morgen vergessen hätte, so daß sie IHN bat, sie nach Hause zu fahren.
Aber er hatte nicht so recht Lust zu fahren und meinte, sein Sohn könne das doch übernehmen. (Panik! So war das aber nicht geplant !!!)

Doch Tante Gerda fand, daß sie unbedingt mal wieder nach Wattenscheid kommen wolle, deshalb können sie doch alle zusammen fahren. -
Und ER stimmte zu. (Na Prima! - Das hatte schon mal geklappt.)
Für das Nach- Hause- bringen wollte Mutter sich natürlich auch bedanken : "Kurt, dafür lade ich Euch heute abend alle in unsere Pizzeria zum Essen ein!"

Am Nachmittag kamen sie hier an und wir tranken gemeinsam Kaffee. Doch Gerd, Gillian und ich hatten nicht viel Zeit, da wir ja um 18 Uhr im Lokal sein mußten. IHM erzählten wir von dem Geburtstag einer Freundin in Heiligenhaus, wobei ich noch reichhaltig und glaubwürdig ausschmückte, daß wir dahin immer früh losfahren müssen, weil ich mich auf dieser Strecke grundsätzlich verfahre. (Und das war das Einzige, was an dieser Story stimmte !)

Während nun die Bad Meinberger sich in aller Ruhe zu einem Spaziergang über den Friedhof aufmachten,  strömten von allen Seiten die Gäste zur Pizzeria. Die Autos wurden weit weg geparkt, - lange Fußmärsche in Kauf genommen, damit ER kein verräterisches Fahrzeug zu früh entdecken könnte.

Der Raum war wunderschön geschmückt, die Tische festlich mit allen dekorationstechnisch wichtigen Gläsern, Tellern und Besteck eingedeckt, eine Happy-Birthday-Girlande unter der Decke, - und alle kamen pünktlich!
Um 18 Uhr hatte jeder seinen Platz gefunden, harrte der Dinge die nun kommen sollten, wobei die Kinder an ein Fenster nahe dem Eingang postiert wurden, um "Schmiere zu stehen".

Ich hatte verschiedene Geburtstags- Liedertexte neu mit SEINEM Namen geschrieben und kopiert. Bei der Vorbereitung hatte mich meine Mutter schon darauf aufmerksam gemacht: "Wenn Du mit irgendwelchen der Melodien nicht klar kommst, - kein Problem- Du hast ja die Bia zur Seite, die singt schließlich im Chor!"

Spannung im Saal, von der die Kellner nach und nach angesteckt wurden. "Wie? Der Mann weiß wirklich noch nicht, was ihn erwartet? Hoffentlich kippt der nicht gleich um, wenn er plötzlich seine ganze Verwandtschaft vor Augen hat!" Eine Kellnerin unkte: "Schließlich ist das ja nicht unbedingt immer was zum Freuen, wenn plötzlich die ganze Mischpoke anwesend ist!"

Wir hatten Mutter zur Vorsicht so instruiert, daß sie auf keinen Fall vor halb sieben da sein dürfte, damit alle Zeit genug hätten, das Lokal zu finden. Und sie hielt sich an diese Vorgabe.
Wir stellten inzwischen Wetten auf, ob er wohl bei unserem Anblick Tränen in die Augen bekäme - vor Rührung oder gar vor Entsetzen.

Endlich, nach einer Stunde kam der Ruf von den Kindern: "Sie kommen!!!"

Alle stellten sich hinter die Tische, die Liederblätter in den Händen, (ein Text auf die Melodie "Gold und Silber lieb ich sehr.") und warteten auf den Moment, wenn er das Lokal betreten würde.

Der Ober ging auf die kleine Gruppe zu, "Sie suchen einen Tisch? Einen Moment, ich schau mal, wo was frei ist" und führte sie in unsere Richtung.

In dem Moment setzte der Familienchor brausend ein:
  70 Jahre ist es her,
wir wollen gratulieren...

ER stockte, schien aber noch gar nicht zu realisieren, was hier eigentlich los war.

"Was sind das für Leute, die da      singen ...???"

 Deshalb kommen wir mit Schwung
heute anmarschieret...

Ein Ober trat auf ihn zu und beglückwünschte ihn zu seinem Geburtstag.

Wie ??? Die meinen tatsächlich mich ??? Woher wissen die das alle ???"

So was mußss gefeiert sein
so, wie's je gehalten,
lieber Kurt, dann bleibest Du
und auch wir die Alten...

Tante Gerda und meine Mutter nahmen ihn in ihre Mitte und genossen diese gelungene Überraschung. Daß den beiden in diesem Moment die Tränen nur so runterlaufen würden, das war uns ja vorher schon klar gewesen, aber nun sahen wir es auch bei IHM verdächtig glitzern in den Augenwinkeln.

Hast so manchen Sturm erlebt,
mußsst Du nichts drum geben,
heute ist Dein Ehrentag,
drum sollst Du hoch leben...

Er stand völlig überwältigt da, und versuchte wohl vergeblich sich wieder zu fassen. Staunend betrachtete er seine Sippschaft, völlig verwundert, wer da nun alle anwesend war.

Seine Tochter Karin mit der ganzen Familie.
Daneben Kusine Bia mit Manusch und Donja, die extra aus Winterscheid angereist waren,
"Wie schön sie mal wieder zu sehen!",
Nichte Ulla, , ihr Mann Dieter und natürlich Sabine,
"Klar, die sind ja immer für allen Blödsinn zu haben!"
meine Schwester Elke mit Heinz, Sonja und Angela,
"Die dürfen natürlich nicht fehlen!"
und natürlich mein Herzensgatte mit Gillian und ich selber.

Alle sangen wir, - nicht immer ganz korrekt, aber dafür laut und herzlich:

Bleib gesund und halt Dich fit,
bleib uns so erhalten,
lieber Kurt, dann bleibest Du,
und auch wir die Alten...

Onkel Kurt war sichtlich überwältigt. Wenn wir vorher noch die geringste Befürchtung hatten, er könne vielleicht doch wissen, was da auf ihn zukommt, so war jetzt klar zu erkennen, daß er nichts, - aber auch gar nichts - auch nur geahnt hatte.

Für die Zukunft wüuenschen wir,
alles Gute heute
darum sind erschienen hier,
auch so viele Leute.

Tante Gerda nahm ihn in den Arm "Das ist mein Geburtstagsgeschenk !" -
Eine größere Freude hätte sie ihm wohl nicht machen können.

Den Geburtstag feiern wir,
lassen Frohsinn walten,
lieber Kurt, dann bleibest Du
und auch wir die Alten...

Überglücklich, tränenputzend, trat er nun zwischen seine Lieben und bedankte sich für das Erscheinen, nahm Geschenke in Empfang und schüttelte nur immer wieder sein weis(s)es Haupt, als könne er es immer noch nicht fassen.

Das Essen war phantastisch, -  die Stimmung fröhlich bis ausgelassen.

"Sophie," meinte Onkel Kurt zwischendurch "das wird mir aber zu viel! Erst hier das gute Essen, und dann willst Du mich noch einladen, weil wir Dich nach Hause gebracht haben,  ... das schaff ich aber nicht mehr!"

- Und zwischendurch kamen noch diverse Vorträge zu seinen Ehren.

Mutter las ein ironisches Gedicht über das Alter, Bia hatte noch diverse Texte vorbereitet, bei denen sie doch an einer Stelle arg ins Stocken geriet, weil ihr selber die Tränen der Rührung in die Stimme traten. ("An der Stelle habe ich zu Hause auch schon immer heulen müssen, aber ich hatte gehofft, nach drei Gläsern Wein würde es gehen.... Irrtum !")

Wir hatten auf dem Computer eine Geburtstagszeitung gebastelt, aus der Elke nun ein paar Artikel vorlas. Besonders an dem darin angebotenen Preisrätsel ( Frage: Wie alt wird Kurt Worms an seinem 70. Geburtstag ?) wollten alle sofort teilnehmen, da der erste Preis ein Abend mit ihm sein sollte.

Ich holte dann noch einen Brief aus der Tasche, den der Vatikan geschickt hatte, und in dem Onkel Kurt gebeten wurde, sich für das Amt des Papstes zur Verfügung zu stellen.
Wir wollen Papst Kurt, den Einzigartigen !
Viele gute Gründe waren darin angeführt, z.B. seine Kenntnisse als Maurer wären für den Aufbau neuer Kirchen doch von großem Vorteil.

Die ganze Gesellschaft kreischte vor Vergnügen und wir hatten schon Bedenken, daß wir durch unsere übermütige, aufbrausende Fröhlichkeit andere Gäste im Raum nebenan vertreiben würden.

Diese Befürchtung wurde noch stärker, als wir uns zu neuen Liedern aufmachten. Es sollte die Melodie von "Üb immer Treu und Redlichkeit!" werden. Alle hatten die Texte in Händen und wir begannen:

An diesem schönen Tage heut -
da kommen wir zu Dir,
weil heute Dein Geburtstag ist, -
drum gratulieren wir.

Doch schon hier unterbrach uns unsere Chorsängerin Bia mit gespielt strengem Ton: "Also, meine Damen und Herren! Eigene Kompositionen zeugen zwar von großer Kreativität, - sind aber hier an dieser Stelle weder angebracht noch erwünscht !!!"

So versuchten wir einen zweiten Anlauf :

Wir haben gute Wünsche mit -
und bringen sie Dir dar.
Sie mögen stets begleiten Dich -
noch viele, viele Jahr.

Es klang immer noch nicht besser, aber wir bemühten uns, auf Bias Melodie zu achten.

Vor allen Dingen mögest Du -
gesund durchs Leben gehn,
und Gottes Segen möge Dir  -
allzeit zur Seite stehn.

Bia unterbrach uns wieder: "Ihr seid aber doch sicher, daß wir die Melodie von der Treu und der Redlichkeit singen ???"  - Alle waren sich sicher - nur Bia war nicht so überzeugt.

Nun wünschen wir von Herzen Dir -
auch noch Zufriedenheit,
und sei bei allem, was Gott Dir schenkt, -
zur Dankbarkeit bereit.

Nun hatte sie aufgegeben. Und wir sangen inbrünstig die letzte Strophe:

In aller Freundschaft wünschen wir -
Dir noch das Allerbest,
der treue Gott, er halte Dich -
in seiner Hand ganz fest!

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Alle , - wirklich alle -, waren begeistert von dieser wunderschönen Feier. Das war mal wieder FAMILIE , - im positivsten Sinne.

Und wohl jeder von uns hat zwischendurch daran gedacht, was Tante Gerda in einem stillen Moment leise aussprach: "Da hätte die Anni heute auch ihren Spaß dran gehabt. Die fehlt jetzt hier zwischen uns."

Tante Anni, die erst vor ein paar Wochen von uns gegangen ist, war doch immer diejenige, die am lautesten sang, am gekonntesten witzige Texte vortrug, und die immer neue Ideen für jede Feier hervorbrachte. Sie hätte sich gefreut, wenn sie uns alle hier so gesehen hätte.

Ich denke, wir haben das in ihrem Sinne gut hingekriegt. Und sie hat sicher von oben zugesehen, gelächelt und gesagt: "Nu gib mir mal endlich einer ein Schnäppschen und `ne Zigarette, - und dann singen wir alle noch mal ...!"