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PUR

Warum tut man sich sowas an ???

 

Es war eine Spontan- Idee! Wir hatten gehört, dass PUR mit NENA gemeinsam ein Konzert machen würden. Diese Zusammenstellung - einfach genial!
Und dann noch Open- Air, - im Rheinstadion in Düsseldorf.
Sofort die Karten besorgt und Vorfreude genießen !

 

Freitag 21.8.1998.
Auf den Karten stand sinnigerweise keine Anfangszeit drauf, - lediglich : Einlass 15 Uhr.

Waltraud war völlig heiß darauf, so früh wie möglich da zu sein, um Hartmut, dem Sänger von PUR, möglichst tief in die Augen sehen zu können. Elke und mir war eigentlich von Anfang an klar, dass wir nicht in dem dicksten Trubel am Bühnenrand eingeklemmt sein wollten. Ich sah auch gar keine Möglichkeit, schon vormittags aus dem Laden zu verschwinden, deshalb fand ich13 Uhr dreißig als Abfahrtszeit genau richtig.

S- Bahn oder Auto ? 
Elke und Waltraud wollten beide nicht im fremden Großstadtverkehr ihre Fahrkünste testen, - waren deshalb für die S- Bahn.
Doch seitdem ich vor Jahren mal drei Tage lang Berlin mit dem Auto erkundet habe, kann mich ein Randgebiet von Düsseldorf doch nicht erschüttern! --- dachte ich!

Bis zum Ortseingang ging ja auch noch alles gut, aber dann war es vorbei. Ein seltsamer, absolut unübersichtlicher Kreisverkehr, der eigentlich gar kein Kreisverkehr war, brachte uns in immer neue Gegenden. Wir kamen gleich zweimal aus verschiedenen Richtungen zu den riesigen Messeparkplätzen, die absolut leer wirkten, und überhaupt keinen einladenden Eindruck machten. Hier konnten wir doch nicht richtig sein. Zurück zum "Kreisverkehr". Auf diesem Weg raste die Berlin- erfahrene Fahrerin auf völlig freier Strecke mit Bravour über eine deutlich rote Ampel. Den Beifahrerinnen blieb nur noch das große Aufatmen, dass nichts passiert war !

Endlich entdeckten wir ein Schild mit dem unscheinbaren Wegweiser: "Sportstätten". Das sollte die Bezeichnung für das große Rheinstadion sein??? Irgendwie hörte es sich doch mehr nach Turnvater Jahns Übungsmatten an. Aber tatsächlich fuhren wir nun endlich eine lange, gerade Straße direkt auf die alles überragenden Flutlichtmasten zu.

So!  -
Wo ist der Parkplatz? --- Fehlanzeige. Der große, fast leere Platz neben dem Eingang wurde erfolgreich von ein paar jungen Männern verteidigt, die uns aber leider auch keine Alternative nennen konnten, abgesehen von den ca. 5 km entfernten Messeparkplätzen, die wir ja schon begutachtet hatten.
Also fuhren wir dann die lange, gerade Straße direkt von den Flutlichtmasten wieder weg, zurück zum "Kreisverkehr".
In einer Nebenstraße parkten wir und begaben uns zur naheliegenden S- Bahn- Station.
So bekam also jede von uns, was sie wollte. Ich mein Auto, die beiden ihre Bahn!

Erwähnte ich schon, dass dies der erste Tag, nach einer wochenlangen Hitzeperiode war, an dem der von allen Bauern heißersehnte Regen fiel !?!?
Die Temperaturen waren deutlich gefallen und der Himmel zeigte ein Kleingärtnerherz-erfrischendes Grau.

Ca. halb vier standen wir vor den noch immer verschlossenen Toren. Ungefähr 28. Reihe!
Während es enger und gemütlicher wurde, öffnete Petrus die Schleusen und alle zogen die Friesennerze so dicht wie möglich.
Findige Verkäufer waren unterwegs und boten Regenmäntel, - Marke "durchsichtiger Müllsack" - für preiswerte 10,- DM das Stück.

Der Regen prasselte auf meine Kapuze lief dann in ungeordneten Bahnen beidseitig an der Brille entlang über Nase und Kinn direkt in die Halsregion. Die Tropfen, die von den Augenbrauen kommend eine liebevolle Verbindung mit Lidschatten und Mascara eingingen, fanden auch den Weg direkt in die Augen. Wer es noch nicht erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, wie diese Konstellation bis in die hintersten Augäpfel brennen kann.

Die Frisur war inzwischen auch im Eimer. Styling-Gel-ultra- strong hält eben auch nicht, was es verspricht.

16 Uhr. Endlich Einlass. Wir quetschten uns durch Tore, Kartenabreißer und Taschenkontrolleure durch bis zum Stadion.

Wow ! Welch ein Anblick ! Die riesige Fläche, auf der sonst Samstag für Samstag die Spieler der Fortuna hinter dem Leder herrennen, war nun mit großflächigen Planken abgedeckt. Links war eine bombastische Bühne aufgebaut mit großen Leinwänden an den Seiten und einer enormen Lautsprecher - Ausrüstung.
Damit konnten wohl schon einige Dezibel in die Runde gepustet werden !!!

Im Abstand von ca. 20 Metern von der Bühne war eine halbkreisförmige Abgrenzung. Und in diesen vorderen Bereich, - an diese erlauchten Plätze - begaben wir uns. Es war bei weitem noch nicht so voll wie wir befürchtet hatten, und so standen wir keine 5 Meter vom Ort der Darbietungen entfernt. Waltraud strahlte, - Hartmut würde ganz nah sein !!! - und wir alle drei hatten unseren Spaß. 
--- Bis wir nachfragten, wie denn nun eigentlich der zeitliche Ablauf sein würde.
Es verschlug uns die Sprache, - was selten genug vorkommt !

Die Vorgruppen würden um 17 Uhr beginnen, Nena war für ca. 19 Uhr geplant und PUR würde sage und schreibe um 20 Uhr dreißig auftreten !!!

Der Regen hatte glücklicherweise nachgelassen, aber : Keine Sitzmöglichkeit weit und breit, - wir mussten mit mindestens 6 bis 7 Stunden Stehzeit rechnen. Und es wurde immer enger ! Bald machte sich mein greisenhafter Blasendrang bemerkbar, der sich immer dann einstellt, wenn mir bewußt wird, dass so ziemlich keine Möglichkeit besteht, ihm nachzugeben.

Als die erste Sängerin auf die Bühne kam und ihre ziemlich gute Show abzog, - als die Dame, die hinter mir stand, mir ständig in den Haaren klatschte, - als das junge Pärchen direkt vor uns, Anlass zu der Befürchtung gab, zumindest er würde in absehbarer Zeit zuckend auf den Boden sinkend einen Orgasmus bekommen, da beschlossen Elke und ich diesen gastlichen Ort zu verlassen, bevor unsere Füße festgewachsen wären.

Ein paar Meter weiter hinten, aber noch innerhalb der vorderen Absperrung, war genügend Platz, um auch mal die Beine bewegen zu können.
Die zweite Vorgruppe war einfach nur ätzend, hinter uns hörten wir schon die Rufe "Aufhören!" - Wie deprimierend für die Jungs !
Der nächste Regenschauer kam und wir flüchteten wie begossene Pudel auf die doch erreichbaren Toiletten.

Warum tun wir uns das hier eigentlich an?
Musste das denn sein ?
Wer war bloß auf diese hirnrissige Idee gekommen ?
Man muss schon ganz schön debil sein, um sich auf so was einzulassen !

Inzwischen spürten wir die Füße bis zu den Knien und betrachteten den Toilettengang als willkommene Möglichkeit des ausruhenden Hinsetzens.

Die Sonne stahl sich durch die Wolken. Endlich kam Nena auf die Bühne. Ein schwarzer Wirbelwind, mit faszinierenden Augen, die bis in die 78. Reihe blitzen konnten.
Geballte Ladung Power und Erotik !

Ihre Lieder mag ich schon lange und sie gehören zu meinen ständigen Begleitern.
Endlich konnten wir mitsingen, tanzen und klatschen. Allererste Sahne - diese Frau !

Gut eine Stunde lang bot dieses Energiebündel eine temperamentvolle Show und mir wurde klar, warum ich hier war. Das war es doch !  Diese Musik - live zu erleben - und diese Frau war ja hier noch viel besser, als ich sie je im Fernsehen gesehen hatte.

Als der letzte Beifall für Nena aufbrauste, und ich mich wieder in der Runde umschaute, war mir, als käme ich aus einer anderen Dimension zurück auf die Erde, wo es feucht und ein bißchen dunkler ist.

Pipi- Pause, (endlich wieder kurz sitzen!), - Nacken, Gesicht und Brille trocknen und wieder einen guten Platz in der Absperrung suchen.

PUR - pur zu erleben, das ist etwas ganz Besonderes. Diese Musik juckt mir sofort in jedem Muskel und in dieser Menschenmasse zu stehen, die alle mitsingen, mitklatschen, - ist ein gutes Gefühl von Zusammengehörigkeit.

Hartmut stand nach den ersten beiden Liedern völlig ergriffen auf der Bühne und lauschte dem nicht endenwollenden Beifall.  -Wie ein kleiner Junge, der es immer noch nicht fassen kann, dass ER gemeint ist. ER und seine Band.

Als wieder eine La Ola- Welle über den gesamten Platz von vorne nach hinten fegte, und ich plötzlich hörte, wie die Menschen auf den Rängen dieses beklatschten, wusste ich, was das ganz besondere an diesen Plätzen im Innenraum war. Wir gehörten völlig dazu! Fast ein Teil des Programms, nicht nur Zuschauer -

Ein PUR- Konzert lebt von den vielen Liedern, die das Publikum auswendig kann, bei denen Hartmut nur noch den ersten Ton angibt und dann singt ein Chor aus tausenden von Stimmen. Gigantisch !
 - Und wunderschön, dazuzugehören.  -  

Ganz gemischt war die Auswahl der Lieder. Fröhliche, peppige Liebeslieder ließen uns hopsen und springen vor PURer Lebensfreude. (Ganz erstaunlich, welche Ausdauer auch wir im Greisenalter noch aufbrachten.)

"Noch immer - meine Königin ! Noch immer - meine Beste !"
Diese Musik ließ uns hüpfen wie einen Punchingball.
Hey, was sind denn das noch für Energiereserven, die ich da aus ungeahnten Tiefen hervorhole?
An den Stellen bin ich mir wieder ganz sicher, warum wir so viele Stunden gewartet haben, und das es sich gelohnt hat ! Endlich mal wieder für kurze Zeit die eigenen Sorgen aus dem Kopf gepustet. Frei sein für Gefühle !

Diese Musik und die ernsteren Texte treffen in dieser Atmosphäre ganz besonders. Ich fühle meine Seele freigelegt und offen.  Als beim Lied "Drachen sollen fliegen ! Laß mich los !" ein überdimensional großer, knallroter Drachen zum dunklen Himmel aufstieg, traten mir die Tränen in die Augen.

Ergreifend der Song über einen authistischen Jungen. Die Gruppe schaffte es durch die eindringliche Musik, den bedrückenden Text und das besondere Bühnenbild eine Stimmung zu schaffen, in der niemand mehr tanzte oder herumsprang. Wie eine Lähmung über dem ganzen Rund waren alle von diesem Lied gefangen: "Ich will raus hier !!! Aus dieser Kastenwelt !!!"

Schön, jemanden dabei zu haben, die mich in den Arm nahm und an der ich mich halten konnte.

 

ZUGABE ! ZUGABE ! ZUGABE !

Dreimal kamen die Jungs noch auf die Bühne, - brachten die Vorgruppen nochmal mit, - und gaben ihr Bestes. Dann war Schluß !

Eigentlich möchte ich jetzt, um das tolle Bild von diesem unvergleichlichen Tag nicht kaputt zu machen, gar nicht so gerne davon erzählen,
... wie sehr uns die Füße weh taten,
... wie schwer unsere Beine waren,
... wie ausgetrocknet wir waren,
... wie irre lang der Fußweg zur S- Bahn Haltestelle erschien
... wie voll die S- Bahn war,
... wie mühevoll es war, aus dem "Kreisverkehr" auf die Autobahn zu kommen, ohne auf den allgegenwärtigen Messeparkplätzen zu landen
... und dass ich erst um viertel vor eins endlich wieder zu Hause war.
Erschöpft und müde, aber voller toller Eindrücke.