Stufen
von Hermann Hesse
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe blüht jede Weisheit auch und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Nichts dauert ewig, ist mir klar jedoch ich kann`s kaum lassen, ich möchte jede Lebensstufe mit beiden Händen fassen.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andre, neue Bindungen zu geben.
Bin doch zum Abschied nie bereit, wohl aber zum Beginne, möchte alles halten, halten, daß mir nichts zerrinne.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wie tröstlich diese Worte sind, ich will sie gern begreifen.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen. Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf` um Stufe heben, weiten.
Durch meine Räume, meine Jahre, da möcht ich gerne streifen, jedoch der Abschied fällt so schwer zurück zu lassen tut so weh, möchte alles Früh` re nehmen mit auf die Stufe, wo ich steh.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen. Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.
Bereit zum Aufbruch, bin ich` s denn? Solang ich dies Gepäck schwer trage, solange meine Altlast drückt, solang ich nicht den Absprung wage?
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegensenden, des Lebens Ruf an uns wird niemals enden....
Bin ganz und gar im Zweifel, voll Panik, die mich lähmt, und doch auch voller Hoffnung, die meine Angst beschämt. Bedenk ich` s wohl, so gilt nun mir die Kunde:
Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!
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