Die Welt ist viel zu bunt, um schwarz zu sehen !!!

Du bist
BesucherIn Nr.

Zirkus

Metamorphose

oder

Vom Mauseloch in die Manege !

 

Wie gut kann ich mich erinnern an so viele Situationen, in denen ich mich am liebsten versteckt hätte....

Ich sitze mit einer Freundin in einem Restaurant. Gemütlich in einer Ecke des Raumes, - wir haben gut gespeist, sind gesättigt und zufrieden. Viel zu selten sehen wir uns und haben sooo viel zu erzählen.
Die Zigarettenschachtel wird immer leerer und einmal ist der Zeitpunkt gekommen, dass eine neue geholt werden muss.
Der Automat steht in der anderen Ecke des Raumes und eigentlich wäre ich wohl dran,
 für den Nachschub zu sorgen.
So langsam kann ich mich kaum noch auf unser Gespräch konzentrieren, weil ich mir die ganze Zeit vorstelle, wie das nun sein wird, wenn ich aufstehe, um den Raum zu durchqueren. Die Tische stehen relativ eng, und da sitzen so viele junge Leute und alle erscheinen mir wie aus einer Broschüre: "Schöne Menschen im Alltag" - schlank und beauty.
Wenn ich jetzt aufstehe, um mich durch die Tische zu zwängen, werden alle auf mich schauen, - auch wenn sie sitzen und ich stehe, - sie werden auf mich herabschauen, weil ich eben nicht in dieses Bild hineinpasse, - von den gutaussehenden, und nur dann und dadurch akzeptierten Menschen.
Mir ist flau im Magen und eigentllich würde ich in dieser Situation eher das Rauchen aufgeben, als jetzt und hier zum Automaten zu gehen.
--- Bis endlich meine Freundin aufsteht und die nächste Schachtel holt.
Ich fühle mich mies und klein.

 

Erst Jahre später wird mir klar, dass diese eine Situation, - typisch und immer wieder in anderer Form wiederholt, - nur entstehen konnte, weil ich mich ängstlich versteckt habe und vor jeder Kritik, die mein Äußeres anbelangt, zusammengezuckt bin, im festen Glauben, dass alle, die mir Unverschämtheiten, Kränkungen und überhebliches Geschwafel an den Kopf geworfen haben, - dass sie ja eigentlich alle recht haben. Scheinbar stimmte ja bei mir etwas nicht, - bei mir war etwas falsch. Ich hatte es ja dementsprechend gar nicht anders verdient.

Erst Jahre später habe ich gemerkt, dass ich genau so wie ich bin, - RICHTIG bin.
Heute mag ich mich, - habe meinen Stil gefunden, - bin bunt, fröhlich und auffallend. Vor allem letzteres.....

Heute werde ich liebevoll von Freunden "unser Paradiesvogel" genannt, und kann die Begriffe "dick" und "schön" nicht nur in einen Zusammenhang bringen, sondern dieses auch auf mich selber beziehen.
Nur dadurch ist es möglich, dass ich heute ganz andere Situationen kennenlerne.........

 

Jugendkulturtage in Duisburg. Unsere Werkkiste, eine Ausbildungsstelle für verschiedenste Berufe, wo ich im Floristik- Bereich arbeite, beteiligt sich mit einem Zirkus- Projekt. Drei Tage lang steht uns ein richtiges Zirkuszelt zur Verfügung und 4 Artisten betreuen das Ganze, um zum Abschluss ein fast professionelles Programm auf die Beine stellen zu können.

Der erste Tag begrüßte uns mit Sonnenschein und nach einer kurzen Lagebesprechung der Mitarbeiter wurden die ca. 90 Jugendlichen auf 4 Gruppen aufgeteilt, damit sie die ganzen Möglichkeiten des Zirkuslebens kennenlernen und sich entscheiden können, was ihnen Spaß macht und was sie nun für die Vorstellung trainieren möchten.
Da gab es die Akrobatik Nummern, - den Seiltanz, - für die ganz Mutigen das Trapez und für die Sportlichen die weiten Saltosprünge durch den brennenden Reifen. Mit Feuer konnte man spucken und mit nackten Füßen über Glas-Scherben laufen. Clowns-Nummern konnten einstudiert werden und natürlich alles mögliche an Jonglage wurde angeboten. Mit Bällen und Tüchern, Diabolos und drehenden Tellern.
Und da soll ich nun auch irgendwo mitmachen ????

Da soll ich mich in die Gruppe stellen, wenn Artist Peter, auf dem Rücken liegend, gerade mal wieder ein Leichtgewicht auf seinen Füßen durch die Luft wirbelt....... wo ich doch schon an den Gesichtern der Jugendlichen ablesen kann, was sie darüber denken, wenn sie mich erblicken. In dem Moment haben die doch sofort die Assoziation, wie der arme Peter unter mir zusammenbricht.....
Dabei möchte ich es mir doch nur ansehen, - wohlwissend, dass dies sicher nicht die richtige Disziplin für mich ist.

Natürlich kommen dumme Sprüche: "Wollen Sie das nicht mal als nächste ausprobieren???" - aber ich kann darüber lachen.
Als ich zu den Trapezen komme, und sehe, wie zwei junge Mädchen da oben ziemlich gekonnt ein paar Figuren ausprobieren, gehe ich gleich in die Offensive: "Komm Kollege, wir beide machen die Flieger Nummer. Ich mache den Salto und du fängst mich auf!" --- Die Lacher sind auf meiner Seite.

Beim Jonglieren finde ich endlich das Richtige für mich. Die Bälle wollen zwar einfach nicht so, wie ich das gerne möchte, aber das Diabolo macht mir Spaß. Das Anpeitschen, um das Teil in eine größere Geschwindigkeit zu bekommen, habe ich schnell raus, und nachdem mir Artist Cristof noch ein paar Tricks gezeigt hat, ist es auch immer einfacher, das kleine Teil wieder aufzufangen und einige Kunststückchen zu probieren.

Bei dieser Gruppe machten ansonsten noch einige junge Männer mit und ein Kollege von mir, der auch gerade an diesen Übungen großen Spaß hatte.
Scheinbar sah das ganze schon nach kurzer Übungszeit recht ansprechend aus, denn schon bald hatten wir immer wieder Zuschauer, die sich unsere Versuche bewundernd ansahen.

Immer wieder war das Hochwerfen und Auffangen, - eigentlich die erste und einfachste Übung, - ein Blickfang für alle.
Viel schwieriger war es, endlich den Diabolo über das Bein springen zu lassen, indem man den Fuß über das Band streckt und das Teil mit dem nötigen Schwung von einer Seite auf die andere befördert.
Bei allen gelungenen und misslungenen Versuchen hatten wir einen Heidenspaß und Kollege Stefan war mit dem gleichen Feuereifer bei der Sache wie ich.
Die ganze Atmosphäre war bezaubernd schön.
Die Sonne strahlte von wolkenlosem Himmel, beim Zirkuszelt waren die Seitenwände hochgezogen und man konnte von außen beobachten, dass darin am Trapez geübt wurde, - in zwei großen Zelten liefen die Proben für die Bodenakrobatik, - die Saltospringer hatten sich die Matten auf der Wiese aufgebaut und immer wieder klang das anfeuernde uuuund hepp! über den Platz, - eine große Gruppe vorwiegend türkischer Mädchen probte einen Tüchertanz zu lauter, rhytmischer Musik, - Jongleure warfen Bälle, Keulen und Tücher durch die Luft und die Tellerdreher kämpften mit ihren Stöcken und den rotierenden Scheiben.
Über allem liegt eine Leichtigkeit und Freude, die mich vergessen läßt, dass die Arme und Schultern schon schmerzen vom ständigen Anpeitschen des Diabolos.

Nach zwei Tagen Training kam die Frage, wer denn nun am nächsten Tag mit welchen Kunststücken in die Manege zum Auftritt gehen würde. Plötzlich waren in unserer Diabolo Gruppe alle jungen Männer nur noch schüchterne Bubis, die sich nicht trauten und auf keinen Fall vor das Publikum treten wollten.
Lediglich Stefan und ich blieben übrig. Wie bitte???? Nur zwei Leute???? Wo soll ich mich da in der Manege noch verstecken können ???? Sollen wir denn wirklich ??? Das ganze ist doch schließlich eine Veranstaltung für die Jugendlichen.....
Aber Stefan machte mir sehr schnell klar, dass wir beide da jetzt durchmüssen. Himmel hilf !!!

Mit Cristof besprachen wir den Ablauf des Auftrittes und unsere Kleidung. Da Diabolos zum chinesischen Teil des Programms gehören, müssen wir uns in das Konzept einfügen, das schon mal die Musik vorschreibt und eigentlich sollten wir nun dazu rote, gemusterte Jacken anziehen zu einer schwarzen Hose.
Ich machte Cristof darauf aufmerksam, dass ich es mir wohl kaum vorstellen könnte, dass er in seinem Kleiderfundus irgendeine auch nur annähernd passende Jacke für mich haben würde. Er blickte etwas irritiert und meinte dann noch zur Krönung, dass ja ansonsten meistens Kinder da mitmachen würden.
Das fand ich ja nun besonders klasse, und bot an, zwei Oberteile mit nach Hause zu nehmen, damit ich mir da über Nacht eine große draus nähen könnte.

Stefan und ich einigten uns dann auf schwarze T-Shirts, und setzten uns dazu so ein albernes rotes Chinesen-Hütchen auf den Kopf. Mit der passenden Schminke dabei sahen wir dann schon wieder richtig stilecht aus.

Die Aufführung fand am Freitag nachmittag statt. Den ganzen Vormittag lag ein Flimmern von Aufregung in der Luft. Lampenfieber bei allen Beteiligten. Luftballons wehten über dem Eingang und in der Stunde vor dem Beginn füllte sich das Zelt zusehends. Um 16 Uhr waren alle Bänke rappelvoll. Mitarbeiter der Werkkiste, die Auszubildenden und viele Freunde,Verwandte und Bekannte der Artisten waren gekommen, um sich anzusehen, was in dieser kurzen Zeit entwickelt worden war.
Und es war einfach genial, was da geboten werden konnte.

Stefan und ich waren erst im zweiten Teil dran. Wir wussten genau welche Nummern vor uns waren und konnten uns danach richten.
Bis zur Pause war noch alles ziemlich  locker, aber dann stieg doch langsam der Adrenalinspiegel in schwindelnde Höhen.
Noch mal ins Schminkzelt, - alles kontrollieren, - alles OK! Ich treffe auf andere Kollegen, denen genauso wie mir `die Muffe flattert`. 
Noch dreimal über die Schulter gespuckt und Toi..toi...toi ! Wir sind schon richtig drin im Profigehabe.
Udo Jürgens trinkt vor jedem Auftritt Pfefferminztee, - in Ermangelung desselben greifen wir uns dann doch lieber die kleinen Feiglinge, die mir eine Kollegin noch freundlicherweise gesponsert hat.  (Nee!  Was sind wir ein schlechtes Vorbild für die Jugendlichen!!!)

Noch einmal den Diabolo übers Band laufen lassen und dann müssen wir uns auch schon hinter dem Vorhang bereit stellen.
Stefan guckt genauso verwirrt und nervös wie ich mich auch fühle.
Wir stehen im ziemlich dunklen Raum und können durch den Stoff die hell erleuchtete Manege sehen. Noch sind da die Artisten drin, die auf großen Laufbällen ihre Künste zeigen. Aber wir erkennen sehr gut, dass sie bald fertig sein müssen, - schließlich kennen wir den Ablauf ihrer Vorführung genau.
Sie springen von den Bällen und verbeugen sich im tosenden Applaus.
Jeder, der irgendwann schon mal irgendwo aufgetreten ist, wird bestätigen, dass dies der schlimmste Moment der ganzen Vorstellung ist. -- Zu wissen, dass man sich jetzt in ein paar Sekunden dem Publikum stellen muss.
Gebt doch ruhig noch eine Zugabe ! Wir warten gerne noch ein Weilchen.... ich kann grade sowieso nicht rauskommen .... ich krieg nämlich hier gerade einen Herzinfarkt vor Aufregung ......
Aber erbarmungslos kommen die beiden hinter den Vorhang und wir wissen: Jetzt geht es los !

Stefan und ich grinsen uns an und versuchen uns daran zu erinnern, dass das Ganze vor allem ein großer Spaß für uns alle sein soll.
Also: dann lass uns unseren Spaß haben!

Der Vorhang öffnet sich wieder und wir trippeln mit kleinen, chinesisch anmutenden Schrittchen in die Manege. Jeder von uns hat den Diabolo unter den Arm geklemmt und die Stöcke in der Hand, die wir im Takt aufeinander klopfen.
Der Beifall schwillt an.
Kollege Stefan ist einer von den ganz Beliebten bei den Auszubildenden, - vorwiegend bei den weiblichen. Und ich bekomme diese ganzen Gunstbezeugungen gleich mit dazu. Der Beifall nimmt gar nicht mehr ab. Und als wir auch noch unsere Diabolos anpeitschen, in die Luft werfen und tatsächlich auch wieder auffangen, klatschen die Leute wie wild.
Wir treten immer einzeln nach vorne, machen unsere kleinen Kunststückchen und haben unseren Spaß an der ganzen Sache endgültig wiedergefunden. Ich glaube, ich grinse die ganze Zeit locker vor mich hin. Hätten wir schmissige Musik dazu, - wäre mir eigentlich nach Tanzen.
Einiges klappt, - einiges geht aber auch daneben. Aber was soll`s ?  Niemanden stört`s, - und mich am allerwenigsten.

Mitten in der Nummer wollen uns die Beleuchter einen Gefallen tun und machen ein paar der großen Lampen aus, damit wir beim Auffangen nicht geblendet werden. Leider wird es dadurch fast zu dunkel, so dass wir nun deshalb Schwierigkeiten haben, den Diabolo in der Luft wiederzufinden und gekonnt aufzufangen.

Zum Abschluss zeigen wir noch unser Glanzstück: Wir werfen uns den Diabolo gegenseitig zu. Nebeneinander und sogar auch gegenüberstehend. Wer es noch nie ausprobiert hat, weiß natürlich gar nicht, dass hierbei ein besonderer Schwierigkeitsgrad liegt, weil das Teil ja dann eine andere Drehbewegung hat als normal. Wir haben es lange genug geübt und auch hier klappt es.
(Nicht immer, aber immer öfter....)

Ein Wahnsinnsgefühl! Den Beifall zu hören und dort im Rampenlicht zu stehen.
Im Endeffekt waren wir die Einzigen, bei denen lautstark nach Zugabe gerufen wurde. --- Wobei mir natürlich schon sehr klar ist, dass ich diese Rufe alleine der Beliebtheit meines Kollegen zu verdanken habe.

Aber auch für mich fielen massenhaft Komplimente ab, Von allen Seiten hörte ich nur Positives über den Auftritt. Und es war eben nicht nur das Können (welches ja sooo besonders gar nicht war...), das da so gelobt wurde, sondern vielmehr der Mut, die Lockerheit, die Coolness, --- kurz gesagt: die ganze Ausstrahlung !

Wann ist der nächste Auftritt ???
Ich bin dabei !!!